Stell dir einen Verein vor, in dem du über Jahre hinweg aktiv warst. Du hast dich engagiert, eingebracht, Freundschaften geschlossen. Es gab Höhen und Tiefen – aber insgesamt war es ein Ort, der dich getragen hat, an dem du gewachsen bist. Doch irgendwann kommt dieser Moment, der sich nur schwer greifen lässt: Etwas fühlt sich nicht mehr stimmig an. Die Gespräche berühren dich nicht mehr wie früher. Deine Interessen haben sich verschoben. Vielleicht spürst du sogar, dass die Energie der Gruppe dich mehr auslaugt als nährt.
Warum fällt es uns so schwer, diesen Ort zu verlassen?
Weil wir Loyalität empfinden. Weil wir uns verbunden fühlen. Und ja, weil Abschied oft Schuld oder Scham mit sich bringt: „Bin ich undankbar? Gebe ich zu schnell auf?“ Solche Fragen sind menschlich – doch sie dürfen nicht unser Wachstum blockieren.
Gleichzeitig braucht es Ehrlichkeit: Manchmal gehen wir auch, weil uns die nötige Frustrationstoleranz fehlt. Weil wir es nicht aushalten, wenn Dinge sich nicht sofort so entwickeln, wie wir es möchten. Oder weil uns Veränderungen bei anderen verunsichern – und wir nicht mehr sehen, wie wir da noch hineinpassen.
Diese Diskussion soll Raum geben für beides: Für das stille Wissen, dass ein Kapitel zu Ende ist – aber auch für die ehrliche Auseinandersetzung mit unseren eigenen Fluchtimpulsen. Wann ist es mutig zu gehen – und wann wäre es mutiger, noch einmal anders zu bleiben?
Thomas Kissing