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  • Offene Fragerunde: Verstehen wir Autismus besser

    Diskussion · 41 Beiträge · 9 Gefällt mir · 604 Aufrufe


    Mein Name ist Janosch, ich wurde am 28. Mai 1997 geboren und bekam in meiner frühen Kindheit die Diagnose Autismus. In dieser Diskussionsrunde möchte ich eine offene und wertfreie Möglichkeit bieten, Fragen zum Thema Autismus zu stellen.

    Viele Menschen haben Interesse an diesem Thema, wissen aber nicht, wen sie fragen sollen oder haben Hemmungen, direkt auf Autist:innen zuzugehen. Ich möchte hier eine Gelegenheit schaffen, in den Austausch zu kommen.

     

    Meine Antworten basieren auf meinen persönlichen Erfahrungen – denn Autismus ist vielfältig, und jeder Autist ist anders. Ich bin kein Psychologe, sondern teile meine eigenen Erlebnisse und Sichtweisen.

     

    Stellt eure Fragen, und ich beantworte sie so gut wie möglich!

    05.03.25, 11:32

Beiträge

  • 14.03.25, 22:17

     

    Colin:

     

    Fritz:

    Kannst du das Leiden der Menschen mit autismus beschreiben? Woran und wie leiden sie, also aus ihrer eigenen sicht? wie sehen sie die welt, beängstigend, motivierend oder leer? Was ist ein guter tag für einen autisten? was ist schlimm für ihn? wie ist es mit Sexualität, Partnerschaft, freunden?


    Bei einer meiner Töchter (17) wurde vor Kurzem Autismus diagnostiziert, deshalb versuche ich auch, das zu verstehen.

     

    https://www.youtube.com/watch?v=DQtbPBkU4mA


     

    https://www.youtube.com/watch?v=NzmOlJ0ADUg&list=PL-ILYwFTteVvgz6FYF4hgTHVPnWZXnQVC&index=1&pp=iAQB

     

    Ich habe mir beide Videos angesehen und muss leider sagen, dass sie genau das widerspiegeln, was ich oft sehe: starkes Schubladendenken. Die dargestellten Punkte mögen auf manche Autisten zutreffen, aber keinesfalls auf alle.

    Zum Beispiel stimmt die Aussage, dass Autisten Schwierigkeiten mit sozialem Kontakt und Freundschaften haben, für mich überhaupt nicht – zumindest heute nicht mehr. Ich komme sehr schnell mit Menschen in Kontakt und kann mich sogar besser unterhalten als viele meiner nicht-autistischen Kollegen. Das mag für manche als Widerspruch zum Autismus erscheinen, aber genau das zeigt, wie individuell Autismus ist.

    Das Problem ist, dass viele Menschen ihr Wissen über Autismus nur aus Büchern oder aus den Medien beziehen und diese Stereotypen dann als allgemeingültig ansehen. Es gibt einen bekannten Spruch in der Autismus-Community: "Kennst du einen Autisten, kennst du einen Autisten." Und genau so ist es.

    Ich kenne deine Tochter natürlich nicht, aber mein Rat wäre: Beobachte sie, lass sie ihren eigenen Weg gehen und unterstütze sie, wenn sie Hilfe braucht. Hab keine Angst, dass sie etwas nicht schafft – gib ihr Raum, sich zu entwickeln.

    Die Menschheit ist nicht die schnellste, stärkste oder klügste Spezies, aber sie ist die anpassungsfähigste. Das gilt auch für Autisten. Wir brauchen vielleicht länger, um uns anzupassen, aber das Wichtige ist, dass diese Anpassung freiwillig geschieht und nicht erzwungen wird.

     

  • 14.03.25, 22:08

     

    Colin:

    welche Vorteile hat dein Autismus (z. B. höhere Intelligenz, größere Detailgenauigkeit usw.)

    Auf diese Frage muss ich ähnlich antworten wie zuvor: Es gibt keine allgemeine Regel, in welchen Bereichen Autisten Vorteile haben.

    Ich zum Beispiel bin extrem stark in der Kommunikation, kann gut auf Menschen zugehen und mich mit ihnen unterhalten – was oft als Widerspruch zum Autismus gesehen wird. Andere Autisten haben wiederum ein großes Talent für Kunst, ein ausgezeichnetes Gedächtnis oder eine besondere Begabung in Mathematik.

    Aber das trifft nicht auf alle zu. Ich selbst mag Mathematik, bin aber kein Experte darin. Dafür kenne ich Menschen mit einem außergewöhnlich guten fotografischen Gedächtnis.

    Genauso wie Menschen allgemein unterschiedlich sind, sind es auch Autisten. Jeder hat seine eigenen Stärken. Eine einfache, allgemeingültige Antwort gibt es nicht – aber genau das macht das Leben spannend.

  • 14.03.25, 22:04

     

    Colin:

    Welche Auswirkungen von Autismus erlebst du, mit denen Menschen ohne Autismus normalerweise keine Probleme haben?

    z.B. Geräusche, Lichter, Gerüche, kleine Änderungen in der Routine usw.

    Diese Frage basiert auf einer verbreiteten Annahme, dass Autisten besonders empfindlich auf Gerüche, Licht oder laute Umgebungen reagieren. Zwar trifft das auf viele zu, aber nicht auf alle.

    Ich habe weiter oben erwähnt, dass ich Probleme mit Menschenmengen habe. Doch das geht auch vielen Nicht-Autisten so – manche fühlen sich einfach in engen oder überfüllten Räumen unwohl, ohne autistisch zu sein.

    Wie ich schon sagte: Jeder Autist ist anders. Es gibt nicht die eine Eigenschaft, die uns grundsätzlich von Nicht-Autisten unterscheidet. Manche haben mehr Mühe mit Reizüberflutung, andere weniger. Deshalb kann ich darauf keine allgemeingültige Antwort geben – am Ende bin ich einfach ich

  • 14.03.25, 22:00

     

    Colin:

    Welche Veränderungen hast du in deinem Leben vorgenommen, die es einfacher gemacht haben, mit Autismus zu leben?

     

    Was mein Leben einfacher gemacht hat, ist schwer zu beantworten, da ich nicht genau weiß, worauf du dich beziehst.

    Auf jeden Fall hat es mir sehr geholfen, alleine zu wohnen. So kann ich mein Leben nach meinen eigenen Bedürfnissen strukturieren. Auch Meditation hat mir viel gebracht, um mit meinen Herausforderungen besser umzugehen. Ich habe viel zu diesen Themen gelesen und mir viele Gedanken gemacht.

    Letztendlich gibt es aber keine allgemeine Antwort darauf. Für mich war eine wichtige Erkenntnis, dass ich mich nicht ständig verstellen muss – sondern einfach ich selbst sein darf.

  • 14.03.25, 21:57

     

    Colin:

    maskierst du deinen Autismus bewusst / unbewusst ?

    Maskieren ist eine sehr interessante autistische Eigenschaft. Auf die Frage, ob wir es bewusst oder unbewusst tun, gibt es keine klare Antwort – es ist stark situationsabhängig. Ich selbst maskiere manchmal bewusst, manchmal unbewusst, aber oft kann ich es nicht genau sagen.

    Manchmal weiß ich selbst nicht, ob ich gerade maskiere oder nicht. Dieses Thema wird in der Autismus-Community intensiv diskutiert, und bis heute gibt es keine eindeutige Antwort darauf.

     

  • 14.03.25, 21:53

     

    Colin:

    Gibt es berühmte Menschen mit Autismus, die du als Vorbild betrachten?

     

    z.B.  Elon Musk, Bill Gaites, Anthony Hopkins, Albert Einstein, Greta Thunberg,  Isaac Newton, Charles Darwin, Michelangelo usw.

     

    Ich bin kein Mensch, der wirklich Idole hat. Natürlich gibt es Personen, deren Lebensgeschichten ich interessant finde, aber ich denke, jeder sollte seinen eigenen Weg gehen. Sich in die Fußstapfen anderer zu zwängen, bedeutet oft, sich anzupassen – und das halte ich für schwierig.

    Jeder Mensch kann seinen eigenen Weg wählen und das tun, was ihm Freude bereitet. Ein Vorbild zu haben, kann hilfreich sein, aber manchmal ist das beste Vorbild die Person, die man im Spiegel sieht. Denn niemand kennt dich so gut wie du selbst.

    Es kann auch hilfreich sein, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Es gibt viele Meditationsübungen, die helfen können, das eigene Ich besser kennenzulernen und herauszufinden, was wirklich zu einem passt.

     

     

  • 14.03.25, 21:46

     

    Luzie:

    Erstmal cool, dass du hier diese Fragerunde eröffnet hast und du soo offen bist für dieses Thema. Toll!

    Mich interessiert wie das bei dir in der Schule akzeptiert und erklärt wurde von seiten der Erziehern/Lehrern. Wenn überhaupt..?

    Hattest du guten Anschluss zu den Mitschülern?

    Ist es eine Beleidigung für dich, wenn man von 'moderner Diagnose' oft spricht? Was würdest du dir am liebsten wünschen für die Zukunft?

    liebe grüsse...

     

    Eine sehr interessante Frage! Ich muss zugeben, dass ich es anfangs in der Schulzeit schwer hatte, Freunde zu finden. Das lag aber weniger daran, dass meine Lehrer meinen Autismus falsch betont haben – ich war in einer Sonderschule, wo jeder auf seine Weise speziell war. Vielmehr hatte ich einfach andere Interessen als meine Mitschüler und fand deshalb schwer Zugang zu ihnen.

    Mit der Zeit, etwa ab der Mittelstufe, wurde es besser, und ich konnte viele Freundschaften aufbauen. Kommunikation war für mich nie ein Problem, aber laute Räume haben mich gestört – wenn es in der Schule sehr laut war, fiel es mir schwer, mich wohlzufühlen.

    In meiner Sonderschule wurde Autismus nicht besonders hervorgehoben, da alle Schüler irgendeine Besonderheit oder Herausforderung hatten. Dadurch gab es auch kaum Ausgrenzung. Ich denke, man sollte jedes Kind individuell fragen, ob es möchte, dass seine Mitschüler von seiner Diagnose erfahren oder nicht.

    Mein Wunsch wäre, dass Menschen aufhören, in starren Kategorien von Diagnosen zu denken. Jeder Autist ist unterschiedlich – genau wie jeder Mensch. Oft wird vergessen, dass wir Autisten auch einfach nur Menschen sind.

  • 14.03.25, 21:39 - Zuletzt bearbeitet 14.03.25, 21:47.

     

    Fritz:

    Kannst du das Leiden der Menschen mit autismus beschreiben? Woran und wie leiden sie, also aus ihrer eigenen sicht? wie sehen sie die welt, beängstigend, motivierend oder leer? Was ist ein guter tag für einen autisten? was ist schlimm für ihn? wie ist es mit Sexualität, Partnerschaft, freunden?

     

    Die erste Frage ist schwierig zu beantworten, da Autisten die Welt sehr unterschiedlich wahrnehmen und verschieden denken. Bei mir persönlich ist Kommunikation kein Problem – ich spreche gerne mit Menschen, tausche mich mündlich oder telefonisch aus. Schwierigkeiten habe ich eher in überfüllten Räumen, etwa in einem vollen Tram. Das ist für mich belastender als der direkte Austausch mit Menschen.

     

    Zur zweiten Frage bezüglich Sexualität: Auch das ist individuell verschieden. Ich glaube nicht, dass meine Sexualität sich stark von der eines Nicht-Autisten unterscheidet. Meine Vorlieben und Gefühle sind im Grunde die gleichen. Natürlich habe ich einige spezielle Interessen, z. B. eine besondere Vorliebe für schöne Stimmen. Aber das ist nichts, was Autisten generell von anderen Menschen unterscheidet. Auch viele meiner autistischen Freunde haben keine anderen sexuellen Vorlieben als neurotypische Menschen.

     

  • 14.03.25, 21:33

    Vielen Dank an alle, die hier kommentiert haben! Ich bin überrascht, wie viele sich beteiligt haben. Leider war ich wegen der Arbeit im Stress und konnte bisher nicht alles lesen.

    Da es viele unterschiedliche Antworten gibt, werde ich nun nach und nach einzelne Fragen aufgreifen, sie unter einer Überschrift zusammenfassen und beantworten. Falls es dazu weitere Fragen gibt, schaue ich sie mir gerne an. Sollte das Ganze noch weiter wachsen, überlege ich, ob ein Discord-Channel oder ein gemeinsames Meeting sinnvoll wäre, um die Themen mündlich zu besprechen.

  • 14.03.25, 21:29 - Zuletzt bearbeitet 14.03.25, 21:49.

     

    Fritz:

    Kennst du das Buch "Ich will kein inmich mehr sein" von Birger Sellin?

     

    Nein kenne ich nicht, klingt sehr spannend.

  • 07.03.25, 06:36

     

    Fritz:

    Kannst du das Leiden der Menschen mit autismus beschreiben? Woran und wie leiden sie, also aus ihrer eigenen sicht? wie sehen sie die welt, beängstigend, motivierend oder leer? Was ist ein guter tag für einen autisten? was ist schlimm für ihn? wie ist es mit Sexualität, Partnerschaft, freunden?


    Bei einer meiner Töchter (17) wurde vor Kurzem Autismus diagnostiziert, deshalb versuche ich auch, das zu verstehen.

     

    https://www.youtube.com/watch?v=DQtbPBkU4mA


     

    https://www.youtube.com/watch?v=NzmOlJ0ADUg&list=PL-ILYwFTteVvgz6FYF4hgTHVPnWZXnQVC&index=1&pp=iAQB

  • 06.03.25, 13:28

    Da ich auch seit Kindheit Autismus habe, ist für mich mein Lebensalltag sehr schwer geworden. Therapie ist noch geplant und ich bin gespannt, ob man mich besser versteht. Auch ich habe mit ständigem Lärm zu kämpfen und wünsche mir manchmal taub zu sein. Ich bin generell sehr zurückhaltend und Rede kaum. In grossen Menschenmengen gehe ich natürlich unter. Ich suche zwar Kontakt zu anderen Menschen, aber fühle mich immer unsicher etwas zu sagen. Da ich mich unsicher fühle. Dadurch das ich so vieles negatives erlebt habe ist das vertrauen zu anderen Personen kapputt gegangen. Auf der anderen Seite hasse ich mein leben und ziehe mich zurück, aber ich versuche jetzt nach und nach etwas zu aendern das es besser wird. Am Ende habe ich wieder kraft und starte wieder neu ins leben zurück. Ich denke, das meine Krankheit nicht die Strafe dafür sein soll. Ein schönes leben mit einem Partner zu führen und zu leben. Der mir natürlich auch noch fehlt. Auch ein Autist kann die Liebesbeziehung so geniessen wie andere Liebespaare. Intimer will ich jetzt nicht gehen. Meine Lebenserfahrung hat mir in den letzten Jahren gezeigt, das man mich schon oefters in die geschlossene stecken wollte, wegen der Wutanfälle die gehabt hatte. Mit dem Druck und den zwängen konnte ich nicht umgehen. Musste Demütigungen und Beleidigungen ertragen. Natürlich wurde ich für alles bestraft und das alles hat dazu beizutragen das ich zu nichts mehr fähig bin. Kann sein das ich mich irgendwie minderwertig fühle, da ich jetzt so leben muss wie es gerade ist. Aber ich habe Ideen im Kopf und die werde ich umsetzen, aber ich brauche noch etwas Zeit um von vorne zu beginnen...

  • 05.03.25, 23:42

    Gibt es berühmte Menschen mit Autismus, die du als Vorbild betrachten?

     

    z.B.  Elon Musk, Bill Gaites, Anthony Hopkins, Albert Einstein, Greta Thunberg,  Isaac Newton, Charles Darwin, Michelangelo usw.

  • 05.03.25, 23:35 - Zuletzt bearbeitet 05.03.25, 23:35.

    welche Vorteile hat dein Autismus (z. B. höhere Intelligenz, größere Detailgenauigkeit usw.)

  • 05.03.25, 23:31

    maskierst du deinen Autismus bewusst / unbewusst ?

  • 05.03.25, 23:21 - Zuletzt bearbeitet 05.03.25, 23:31.

    Welche Auswirkungen von Autismus erlebst du, mit denen Menschen ohne Autismus normalerweise keine Probleme haben?

    z.B. Geräusche, Lichter, Gerüche, kleine Änderungen in der Routine usw.

  • 05.03.25, 23:14

    Welche Veränderungen hast du in deinem Leben vorgenommen, die es einfacher gemacht haben, mit Autismus zu leben?

  • 05.03.25, 20:15

    Super toll beschrieben, hab keine Fragen. 

     

  • 05.03.25, 16:02

    Erstmal cool, dass du hier diese Fragerunde eröffnet hast und du soo offen bist für dieses Thema. Toll!

    Mich interessiert wie das bei dir in der Schule akzeptiert und erklärt wurde von seiten der Erziehern/Lehrern. Wenn überhaupt..?

    Hattest du guten Anschluss zu den Mitschülern?

    Ist es eine Beleidigung für dich, wenn man von 'moderner Diagnose' oft spricht? Was würdest du dir am liebsten wünschen für die Zukunft?

    liebe grüsse...

  • Kannst du das Leiden der Menschen mit autismus beschreiben? Woran und wie leiden sie, also aus ihrer eigenen sicht? wie sehen sie die welt, beängstigend, motivierend oder leer? Was ist ein guter tag für einen autisten? was ist schlimm für ihn? wie ist es mit Sexualität, Partnerschaft, freunden?

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